Es war einmal ein Puppenspieler,
der zog mit seiner Truppe überall in der Welt umher. Seine Kunst war es
Marionetten vorzuführen, Puppen die man an Fäden bewegt. So wie er die Fäden
zog, tanzten die Puppen. In einer großen Kiste waren all die verschiedenen
Puppen aufbewahrt, große und kleine, bunte und auch ganz schlichte und
einfache Puppen.
Immer wenn dieser Puppenspieler eine neue Marionette hinzu bekam, spielte er
fast ausschließlich nur mit dieser und die anderen armen Marionetten mussten
dann in der Kiste liegen bleiben.
Untereinander unterhielten sich die Puppen in der Marionettensprache, die
ein menschliches Ohr nicht vernehmen konnte. “Heute hat er wieder nur mit
der neuen Puppe gespielt.“, begann die eine Puppe ein Gespräch. „Sie ist ja
auch neu und interessant für ihn.“, antwortete die andere, wir sind ja schon
alt und Gewohnheit für ihn. „Du hast Recht“, mischte sich die dritte Puppe
ein, „wir sind ihm ja sicher, hier in unserer Kiste.“ Sie entwirrte traurig
ihre Fäden, „Wann er gerade Lust hat, holt er uns heraus, und dann müssen
wir uns bewegen, so wie es ihm gerade gefällt.“
Eine schlichte und einfache Puppe, die ganz hinten in der Ecke lag, mischte
sich in das Gespräch ein: „Was wisst ihr denn schon? Ich war einmal vor
langer Zeit seine Lieblingspuppe. Jeden Tag hat er mit mir gespielt, und mir
hat er erzählt wie schön ich mich doch bewegen kann.“ Sie setzte sich auf
und versuchte ihr verknittertes Kleid glatt zu streichen. „Nur eins habe ich
aus der ganzen Zeit gelernt“, sprach sie weiter, „mit mir hat er so lange
gespielt, bis ich die Menschensprache lernen konnte. Ich könnte ihm mal die
Meinung sagen, wenn ich mich nur trauen würde.“ Verlegen schaute sie zur
Seite: „Wenn ich ihm sage, was ich von ihm halte, wird er mich nie mehr aus
der Kiste herauslassen, davor habe ich Angst.“
Die anderen Puppen schauten erstaunt auf die schlichte einfache Puppe. „Du
kannst in der Menschensprache reden?“, riefen sie erstaunt, „Wovor hast du
dann solche Angst? Sag ihm doch einfach mal, was du von seinem Verhalten
denkst, was soll schon geschehen?“
Die einfache Puppe schaut beschämt nach unten: „Ich hatte ihn sehr lieb
gewonnen, und immer noch habe ich die Hoffnung, dass ich eines Tages wieder
seine Lieblingspuppe werde, dass es ihm wieder einfällt, wie schön ich mich
bewegen lasse.“ Eine der schönen bunten Puppen schüttelte den Kopf und
sagte: “Wenn er dich braucht, dann wird er dich wieder aus der Kiste holen,
und nur dann, glaube es mir.“ Sie drehte traurig ihren linken Arm hin und
her. „Mit mir hat er das auch so gemacht, glaube mir, mit jeder Puppe macht
er das Gleiche, immer und immer wieder. Er hat einfach kein Herz, er tut
immer nur das, was für ihn am Besten ist.“ Schweigen herrschte wieder in der
Puppenkiste, trauriges Schweigen.
Nun geschah es eines Tages, dass in einer Stadt ein Puppenspiel aufgeführt
werden sollte, ein besonderes Puppenspiel, das eine besondere Tanzfertigkeit
erforderte. Der Puppenspieler erinnerte sich wieder an seine Lieblingspuppe,
die so wunderschön tanzen konnte und sich so brav an ihren Fäden bewegte.
Die Puppenbühne wurde aufgebaut, und der Puppenspieler öffnete die
Puppenkiste, um nach der einfachen schlichten Puppe zu suchen. Endlich
erblickte er sie in einer Ecke versteckt und er griff nach ihr.
„Na mein süßes Püppchen, da bist du ja endlich. Wie sehr habe ich dich
vermisst. Heute wollen wir beide es der versammelten Menge mal so richtig
zeigen. Es gibt doch keine Puppe außer dir, die sich so wunderschön bewegen
kann.“, schmeichelte er.
Das Puppenspiel begann und der Puppenspieler begann an den Fäden der Puppe
zu ziehen. Doch was war das? Wenn er am Faden für das linke Bein zog,
bewegte sie das rechte. Auch mit den Fäden für die Arme geschah das Gleiche.
Die Leute begannen zu lachen, und dem Puppenspieler stand der Schweiß auf
seiner Stirn. „Was machst du denn mein Püppchen?“, zischte er zwischen den
Zähnen hervor, damit ihn niemand hörte, „Hast du verlernt wie man tanzt?
Immer warst du die Beste bei diesem Tanz, und deine Bewegungen waren so
vollkommen.“
Er zerrte und zog verzweifelt an den Fäden, aber die Puppe wollte ihm nicht
mehr gehorchen. Die Leute drehten sich lachend um und gingen fort. Man hörte
sie lachend sagen: „Für so ein Kasperletheater müssen wir ja hier nicht
stehen bleiben.“
Wütend schüttelte der Puppenspieler die Puppe und schimpfte los: „Du
undankbares Geschöpf. Da bist du meine Lieblingspuppe und machst mir so
einen Ärger.“
Die Puppe drehte ihren Kopf zu ihm herum und lächelte, und zu seinem
Entsetzen begann sie zu sprechen: “Deine Lieblingspuppe bin ich? Das ich
nicht fürchterlich lache. Das bin ich doch nur dann, wenn du mich brauchst,
wenn es dir gerade in den Kram passt. Du benutzt mich doch nur zu deinem
Vorteil, wenn ein besonders schwieriger Tanz aufgeführt werden soll, wenn du
dir besonderen Ruhm einhandeln willst, dann denkst du an mich. Sonst
vergisst du mich in meiner Ecke und mit Sicherheit verschwendest du keinen
Gedanken an mich, nicht einen.“
Der Puppenspieler wurde abwechselnd blass und rot. Er wusste überhaupt nicht
mehr, was er machen sollte, so etwas war ihm ja in seiner ganzen Laufbahn
noch nicht passiert. Fieberhaft dachte er nach, wie er seine beste Tänzerin
besänftigen könnte.
Die Puppe aber sprach noch weiter: „Damit du Bescheid weißt, ich werde allen
anderen Puppen auch die Menschensprache beibringen, denn mit ihnen gehst du
ganz genauso um. Du kannst uns in Zukunft nicht mehr nur benutzen, wie es
dir in den Kram passt. Du wirst darüber nachdenken müssen, ob man Puppen so
behandelst, wie du das tust.“
Sie lächelte ihn freundlich an. „Jetzt kannst du mich in meine Kiste werfen,
denn ich möchte keinen Moment mehr versäumen, mit dem Sprachunterricht zu
beginnen.“
Der Puppenspieler öffnete vorsichtig die Kiste und legte die Puppe behutsam
hinein. „Wenn Marionetten sprechen können, ist mein sorgloses Leben
vorbei.“, dachte er, „Jetzt muss ich doch wahrhaftig darüber nachdenken, was
ich machen soll.“
Es gefiel ihm nicht, aber er würde es tun müssen, nur noch Fäden ziehen. Das
jede Puppe nach seiner Nase tanzt, die Zeiten waren vorbei für den
Puppenspieler.
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